Von Kindheit an kennzeichnen mich sieben Eigenschaften aus: Ich bin sensibel für Atmosphäre, abenteuerlustig,
enthusiastisch, reiselustig, sammle gerne, habe die Neigung leidenschaftlich zu handeln und bin besessen vom Volkssport Nummer eins, dem Fußball. Bei meiner großen Leidenschaft, dem
"Groundhopping", kommen alle diese Eigenschaften zusammen.
Als Teenager stand ich als leidenschaftlicher Fan des FC Groningen viele Jahre in der "Südkurve" im Oosterpark Stadion. Als ich später als Student eine Fahrkarte für den öffentlichen Nah- und
Fernverkehr hatte, beschloss ich, meinen Lieblingsklub auch bei Auswärtsspielen zu unterstützen. Ich war von der schönen Lage des "Nieuw Monnickenhuizen" (dem alten Stadion von Vitesse Arnhem)
beeindruckt, flüchtete vor bösen Fans des FC Utrecht aus dem "Nieuw Galgenwaard", saß bei nur 800 Zuschauern im muxmäusschenstillen "Kuip" bei SVV gegen den FC Groningen, kassierte im alten
"Diekman Stadion" große Niederlagen und feierte im atmosphärischen "Stadion De Meer" einen seltenen Sieg gegen Ajax Amsterdam. Aber nach einer Auswärtspleite mit der niederländischen
Nationalmannschaft in Prag und nachdem ich eine wahnsinnige Stimmung während Bundesligaspielen in Bochum und in Frankfurt erlebt hatte, war ein neues Hobby geboren. Ich verzichtete auf meine
Dauerkarte beim FC Groningen, um mehr von der Atmosphäre außerhalb der Niederlande mitzubekommen. Laut meiner Frau Linda war es zuerst ein Hobby, dann eine Leidenschaft und jetzt ist es sogar zur
Besessenheit geworden.
Seit 1995 reise ich jetzt schon groundhoppend durch die Welt und habe mittlerweile mehr als 1.000 Stadien in mehr als 50 Ländern besucht. Bevor ich einen Fußballklub besuche, recherchiere ich
alle Fakten über das Stadion, die Zuschauerzahlen und die Tribüne, von der aus ich das Spiel anschauen möchte. Ich beschäftige mich auch mit der Geschichte, dem aktuellen Status der Fußballtempel
und der Tradition des jeweiligen Klubs. In Sammelalben habe ich Berichte mit Eintrittskarten, Fotos und Zeitungsausschnitten von meinen
besuchten Spielen gemacht. Aus meinem alten Arbeitszimmer habe ich inzwischen ein Fußball-Museum gemacht, in dem ich alle Souvenirs wie Fotos, Eintrittskarten, Zeitungsausschnitte
usw. systematisch gesammelt und dekoriert habe, die ich von meinen Reisen mitgebracht habe.
Große Spieler wie Beckham, Zidane, Hagi, Ronaldinho, Raul, Ravanelli, Owen, Figo, Robben, Batistuta, Robinho,
Gerrard, Totti und Roberto Carlos habe ich schon gesehen und die meisten europäischen Spitzenklubs habe ich mittlerweile auch besucht. Es geht mir aber gar nicht so sehr um die Stars im
kommerziellen Fußball. Es geht für mich vor allem um Vereinsliebe, Leidenschaft, Fußballkultur und Nostalgie. Romantik mit einem großen R. Die Wahrnehmung der Fans ist in jedem Stadion anders.
Als objektiver Zuschauer versuche ich 90 Minuten ein Teil davon zu sein. Am liebsten postiere ich mich dann auch bei den treuesten Fans, die meist hinter dem Tor stehen. Manchmal denke ich nach
dem Spiel: "Das ist mein Klub, hierhin komme ich zurück", aber in meinem Herzen weiß ich es besser. Ein Groundhopper muss immer weiter. Denn es wartet schon eine neue Herausforderung: Ein anderes
Stadion, andere Fans und eine andere Stimmung.
Einige Menschen in meiner Umgebung werden nie verstehen, warum ich für ein einziges Fußballspiel nach Polen reise. Und dann noch für einen Kracher in den unteren Regionen der Tabelle. Dass mir
völlig egal ist, wer gewinnt, überrascht diese Leute dann noch mehr. Nur Groundhopper und Fußballromantiker wissen, was ich meine. Natürlich ist es interessant, wieviele Tore gefallen sind, aber
für mich dreht sich bei einem Spielbesuch nie alles nur um Tore, Spieler und interessante Duelle. Manchmal ist es die Vereinsgeschichte, die mich fasziniert, ein anderes Mal ein spezielles
Stadion und gelegentlich einfach nur die Stimmung der Fans.
Nein, bei einem Spielbesuch geht es für mich nicht um Siege, Ruhm oder große Namen. Es geht einfach nur darum, dass dabei sein zu dürfen. Ich werde oft als Fußballverrückter dargestellt, aber ich
verzichte auch gerne mal auf ein Qualifikationsspiel der niederländischen Nationalmannschaft im Fernsehen, wenn Linda lieber einen Film gucken möchte. Fußball im Fernsehen reizt mich selten über
volle 90 Minuten. Ich beschäftige mich dann viel lieber mit den Vorbereitungen für die nächste Groundhopping-Tour. Wenn ich zu Hause auf der Couch Fußball schaue, vermisse ich den Geruch von
frisch geschnittenem Gras, Schweiß, Tabak, Chips und Urin. Es gibt zu viele Ablenkungen ("Schatz, denkst du bitte daran, den Müll wegzubringen?") und die Bedingungen sind zu bequem, um sich
hundertprozentig auf Fußball konzentrieren zu können. Im Stadion dagegen bin ich aufgeregt; ich bin dann praktisch auf einem anderen Planeten. Ich will alles ertragen, was die Fans auch ertragen
müssen: den strömenden Regen, den kalten Wind, die harten Bänke, die Gesänge, die Leidenschaft, die Gelassenheit und die Verbissenheit. Die Wut, die Freude, die Erleichterung, die Hoffnung, die
Angst, und auch die Trauer.
Nach der Veröffentlichung meines ersten Buches "Konfetti, Bier und Stehplätze" in den Niederlanden habe ich germerkt, dass es viele Gleichgesinnte gibt. Groundhopping ist im gesamten Europa enorm
im Aufwind. Mein neuer Status als Buchautor in den Niederlanden öffnete mir Türen, die mir vorher noch verschlossen waren. Bei einigen Klubs wurde ich sogar eingeladen und bei anderen bekam
ich eine Akkreditierung. Das führte zu weiteren neuen Erfahrungen, durch die ich den Stift wieder in die Hand nahm. Das wird wohl nie aufhören. Es gibt immer noch so viel zu sehen und zu
erleben. Und dieser eine Moment und der Augenblick, wenn man in der Ferne die Umrisse eines neuen Stadions sieht, dass man gleich besuchen wird. Es ist der Moment, wenn man wie ein verliebter
Teenager Schmetterlinge im Bauch hat, weil ein neues Abenteuer wartet. Dieser Moment wird nie langweilig sein!