Können Sie uns bitte kurz erklären, was man unter dem Begriff „Groundhopping“ versteht?
Tom Bodde: Groundhopper sind Fussballbegeistete, die nicht unbedingt ihrem eigenen Verein hinterherreisen, sondern das Ziel haben, Fußballspiele in so viel Stadien
wie möglich zu besuchen. Aber auch ohne Spiel sehe ich mir überall gerne Stadien an.
Können Sie sich noch an Ihre allererste Fußballreise erinnern?
Tom Bodde: Klar. Das war 1995, als ich mit der holländischen Nationalmannschaft nach Prag gefahren bin. „Oranje“ verlor dieses Spiel, aber das war mir eigentlich ziemlich egal. Denn mir
hatte die Stimmung der tschechischen Fans so sehr gefallen, dass es mir überhaupt nichts ausgemacht hat, dass wir dieses Spiel verloren hatten.
Wie sind Sie zu diesem außergewöhnlichen Hobby gekommen?
Tom Bodde: Ich war schon fünf Jahre in den Fußballstadien dieser Welt unterwegs, als ich überhaupt erst erfahren habe, dass das „Groundhopping“ heißt, was ich da mache. Nach dem Spiel in
Prag fuhr ich später noch zum Waldstadion in Frankfurt und zum Ruhrstadion in Bochum. Die deutsche Fankultur und die wahnsinnige Stimmung in den Stadien haben mir so sehr gefallen, dass ich jetzt
überall Fußball sehen wollte.
Wie viele Fußballstadien haben Sie bislang besucht, bzw. wie viele Fußballspiele haben Sie bislang ungefähr gesehen?
Tom
Bodde: So ungefähr 1.000 Stadien in mehr als 50 Ländern. Zahlen sind für mich aber eher
unwichtig. Für mich ist das kein Wettbewerb. Für mich zählt nur das Erleben. Ich sehe jede Fußballreise als ein Geschenk an.
Was war das Schönste, Lustigste oder Kurioseste, das Sie beim Groundhopping erlebt haben?
Tom
Bodde: Das lässt sich schwer in einem einzigen Satz sagen; ich habe ja schließlich
schon drei Bücher über meine Abenteuer in den Stadien geschrieben. Sehr lustig war es allerdings im Mai dieses Jahres, als ich in Polen bei einem Drittligaduell war, und fast alle Zuschauer
betrunken waren.
Was war bislang Ihr weitester Trip?
Tom Bodde: Ich war oft beruflich in China unterwegs, und habe mir dort natürlich auch Fußballspiele angesehen. Am besten hat mir dort gefallen, als die Gästemannschaft ein Tor schoss und
die Heimfans Beifall klatschten. Gänsehaut!
Wo hat Ihnen die Stimmung bislang am besten gefallen?
Tom Bodde: Na ja, schwer zu sagen, denn sie ist überall anders. Ich reise gerne nach England, aber Stimmung bedeutet dort nur Singen. In Deutschland und Polen zum Beispiel ist die Stimmung
auch optisch schön. Ich liebe auch diese Pyro-Choreografien in Osteuropa. Die fanatische Atmosphäre in Italien, auf dem Balkan und in der Türkei gefällt mir auch sehr gut.
Haben Sie auch einen Lieblingsverein bzw. ein Lieblingsstadion?
Tom Bodde: Ich war immer Fan des FC Groningen, aber nach dem Umzug in ein neues Stadion ist die Stimmung dort nicht mehr so, wie es früher einmal war. Dann habe ich beim Kultklub SC
Veendam gearbeitet. Tolles altes Stadion und richtig gute Fans. Dieser Traditionsverein ging aber leider im April 2013 leider nach 118 Jahren pleite. Ich war in vielen schönen Stadien, aber das
schönste war das Bökelberg-Stadion in Mönchengladbach. Auf Platz 2: Das Stade Velodrome in Marseille. Auf Platz 3: Das Ali Sami Yen von Galatasaray Istanbul.
Gibt es Grounds, die man als Groundhopper unbedingt gesehen haben muss?
Tom
Bodde: Es gibt natürlich ganz besondere Grounds, die eine seltsame oder wunderschöne
Lage haben – so wie die Stadien von Kasimpasa Istanbul, CF Os Belenenses, Slovan Liberec oder Sporting Braga. Das Underhill Stadium von Barnet FC war schon kurios, weil das Spielfeld vom Hügel
abfiel und das eine Tor so drei Meter höher als das andere Tor stand.
Stehen Sie mit anderen Groundhoppern in Konkurrenz oder gibt es eher freundschaftliche Kontakte unter Groundhoppern?
Tom
Bodde: Ich kann das natürlich nicht beurteilen, wie das bei anderen Groundhoppern ist,
aber bei mir gibt es nur freundschaftliche Kontakte. Ich denke, dass wir Kollegen sind, und uns auch gegenseitig helfen, unsere Ziele zu erreichen. Also geben wir uns gegenseitig Tipps. Wie ich
schon gesagt habe, ist das für mich kein Wettbewerb, sondern ich möchte einfach nur genießen. Ich weiß aber, dass es auch Groundhopper gibt, die zum Beispiel niemals ein zweites Mal in ein
Stadion zurückkommen. Das mache ich aber häufiger. Mir sind die so genannten "Gesamtzahlen" unwichtig.
Was macht den Reiz aus, nach Polen für ein einziges Spiel in den unteren Tabellenregionen zu reisen?
Tom
Bodde: Man möchte mal wieder etwas ganz anderes erleben. Man weiß ja eigentlich nie,
was passiert. Man fährt irgendwo hin, und wartet ab, was passiert. Ich lese vorher immer viel über den Verein, so dass ich weiß, was dort so los ist und hoffe weitere Fans kennenzulernen, die
über ihre Leidenschaft und ihren Klub erzählen.
Wie kam es dazu, dass Sie über Ihre Erlebnisse bei Fußballreisen Bücher schreiben?
Tom
Bodde: Eher zufällig. Als ich einmal krank war, habe ich ein bisschen in meinen
Fotobüchern geblättert, die ich seit meinem ersten Stadionbesuch führe. Als ich bei dem legendären Bundesligaspiel war, wo Schalke 04 vier Minuten Meister war, sagte ich zu meiner Frau: „Ich habe
so viele Erinnerungen. Ich denke, ich muss das alles einmal aufschreiben, sonst vergesse ich es.“ Als sie mein erstes Kapitel dann gelesen hatte, sagte sie: „Tom, du solltest das mit all deinen
Fußball-Abenteuern machen, und dann machst du daraus ein Buch.“ Zweieinhalb Jahre später war das erste Buch fertig …
Aktuell hört man in Deutschland viel von Repression und Schikanen gegenüber Fußballfans. Gibt es in anderen Ländern eine ähnliche Entwicklung?
Tom
Bodde: Leider ja, früher war Fußball ein Volkssport. Jeder konnte dort hingehen. Mit
den Kommerz im Vordergrund ist jetzt alles etwas anders geworden. Vor allem in England ist Fußball jetzt nur noch für das salonfähige Publikum zugänglich. Deshalb bewege ich mich dort vor allem
bei Vereinen in den unteren Ligen. Dort findet man noch die richtig britische Fankultur.
Welches Spiel steht bei Ihnen als nächstes an?
Tom Bodde: Im September besuche ich drei Spiele in/bei Berlin: Bei den Vereinen 1.FC Union, beim SV Babelsberg und bei Lichtenberg 47. Im Oktober reise ich dann nach England. Dort stehen
drei Spiele auf dem Programm, und zwar bei Southend United, Hereford United und bei Aston Villa. Und Ende November mache ich die Tour, die ich „6 Tage, 6 Länder, 6 Spiele“ genannte habe, auf der
ich u.a. das legendäre kroatische Derby Dinamo Zagreb gegen Hajduk Split besuchen möchte.